Risiken erkennen

Für jene Lieferanten, die aufgrund der Priorisierung in das Risikomanagement einbezogen werden, identifiziert man in diesem Prozessschritt die aus der Beschaffung entstehenden Risiken.

Grundsätzlich können Risikopotentiale bei der internationalen Beschaffung aus den folgenden Bereichen entstehen (vgl. Ospelt et al. 2019):

    • Wirtschaftliche Risiken: Die wirtschaftlichen Risiken umfassen mögliche Konkurse von Lieferanten, Wechselkursschwankungen, Preiserhöhungen, Knowhow Verluste sowie Imageverluste.
    • Politische Risiken: Politische Risiken können aus Krieg, Streiks, Terrorismus, Embargos oder Korruption entstehen. Vorhanden sind politische Risiken v.a. in jenen Ländern, die in militärische Auseinandersetzungen verwickelt sind oder wegen sozialen Konflikten an politischer Instabilität oder Unruhen leiden. Bei solchen Risiken besteht die Gefahr, dass die Beschaffungsobjekte nicht vertragsgemäss geliefert werden können.
    • Rechtliche Risiken: Eine gewisse Rechtsunsicherheit besteht bei den meisten internationalen Geschäften und beinhaltet u.a. Import Barrieren und Umweltschutzauflagen. Dazu kommt, dass die Rechtsnormen und administrativen Vorschriften in sämtlichen Ländern unterschiedlich sind.

Tabelle 8: Instrument: Moderationstool für die Identifikation und Bewertung der Risiken

  • Natürliche Risiken: Die meisten Schäden aus natürlichen Risiken sind elementarer Natur. Zu den natürlichen Risiken zählen Überschwemmungen, Erdbeben, Stürme oder unerwartete Wintereinbrüche. Gleichzeitig sind aber auch andere unvorhersehbare Ereignisse, wie z.B. Brände und menschliche Risiken wie Krankheiten damit gemeint.
  • Personelle Risiken: Verschiedene Kulturen und Völker haben unterschiedliche Lebensarten und Geschäftssitten. Zudem sind sie mit unterschiedlichen Mentalitäten, religiösen Überzeugungen und Wertesystemen verbunden. Dies kann zu Missverständnissen und interkulturellen Konflikten führen.
  • Logistische Risiken: Die logistischen Risiken umfassen Dispositionsfehler, Transportschäden und Verluste, verzögerte Zollabwicklungen, Transportkostenerhöhungen, Kommunikationsprobleme und verknappte Rohstoffe.
  • Produktionsrisiken: Im Bereich der Produktionsrisiken können Schäden entstehen durch Qualitätsschwankungen, Kapazitätsengpässe, Effizienzverluste sowie Innovationseinbussen, Lieferzeitschwankungen und Datenverluste.

Eine Checkliste, wie sie das im Anhang enthaltene Moderationstool enthält, kann helfen, potentielle Risiken zu erkennen. Für die zu analysierenden Lieferanten des Unternehmens wird bestimmt, welche Risiken relevant sind (Tabelle 8). Es handelt sich dabei um Risiken aus folgenden Risikogruppen: Externe Risiken, Risiken im Zusammenhang mit dem Lieferanten, Risiken im Zusammenhang mit den Unterlieferanten, Risiken im Zusammenhang mit dem Rohmaterial, Risiken im Zusammenhang mit der Logistik sowie Interne Risiken. Die Liste von möglichen Risiken wird allenfalls ergänzt um zusätzliche Risikopotentiale, die für das Unternehmen relevant sind.

Tabelle 9: Risiken dokumentieren

Risiken dokumentieren

Die identifizierten Risiken müssen dokumentiert und beschrieben werden, um sie später bewerten zu können, d.h. um deren Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkung einschätzen zu können. Dazu dient das Dokument Risikobeschreibung, das im Anhang enthalten ist und in Tabelle 9 dargestellt wird. In dieser Tabelle werden für die identifizierten Risiken die Bezeichnungen, Zuständigkeiten, Kategorien, Beschreibungen und deren Treiber eingetragen.

Prozess Risikoidentifikation

In der folgenden Abbildung ist der Prozessablauf zur Identifikation von internationalen Beschaffungsrisiken dargestellt (Tabelle 10). Die Spalten der Verantwortlichkeiten müssen durch das Unternehmen definiert werden.

Tabelle 8: Prozessablauf Risikoidentifikation

D             Durchführungsverantwortung (diese Stelle ist verantwortlich für Umsetzung)
M             Mitwirkung (diese Stelle ist verpflichtet mitzuwirken)
I               Information (diese Stelle muss informiert werden)
GF            Geschäftsführer
FB            Fachbereich
MA          Mitarbeitende (z.B. operative Einkäufer)
RM          Risikomanager

Tabelle 11: Erläuterungen zu den Prozessschritten

Die Checkliste mit den potentiellen Beschaffungsrisiken ist das Arbeitsmittel, um die Risiken für die priorisierten Lieferanten zu identifizieren. Grundlagen zur Beschreibung der Risiken sind externe Quellen und das Wissen der involvierten Mitarbeitenden.

 

Tabelle 12: Checkliste Risikoidentifikation

Der Lieferantenaudit ist eines der wichtigsten und effektivsten Mittel, um Risiken zu identifizieren. Ein Audit läuft in fünf Schritten ab. Grundlage dafür ist die Lieferantenaudit Checkliste:

  • Schritt 1: Zusammenstellen des Auditorenteams, Bewertungskatalog (Auditcheckliste) mit Fragen vorbereiten. Es ist wichtig, dass Teilnehmende aus unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens in den Auditprozess involviert werden, z.B. Beschaffung, Einkauf, Qualität.
  • Schritt 2: Einführungsgespräch zwischen Auditorenteam und Lieferant
  • Schritt 3: Befragung anhand Checkliste
  • Schritt 4: Bewertung und Errechnung eines Vergleichs mit früheren Audits
  • Schritt 5: Abschlussgespräch und Auditbericht

Die identifizierten Risiken der internationalen Beschaffung müssen erfasst und beschrieben werden, damit sie im nächsten Schritt bewertet werden können. Dazu dient das folgende Template, das im Laufe des Risikomanagementprozesses für die Risiken Schritt um Schritt ausgefüllt wird. Die Zeilen mit fetter Umrandung werden in diesem Prozessschritt ausgefüllt.

Tabelle 13: Risiko und Massnahmenplan (Risikoidentifikation)

Risikoidentifikation bei der Instrumente AG

Die Instrumente AG hat die Risikoidentifikation für die priorisierten Lieferanten durchgeführt. Im Folgenden werden die Resultate einen Lieferanten aus Bangalore, Indien aufgezeigt. Für die Risikoidentifikation wurde die Checkliste der potenziellen Beschaffungsrisiken (Tabelle 14) eingesetzt. In einem Workshop mit dem Leiter Beschaffung und den zuständigen operativen Einkäufern wurden 11 Risiken definiert, die für die Lieferantenbeziehung relevant sind.

Für die Identifikation der Risiken war insbesondere der Input des operativen Einkäufers sehr wichtig, da dieser im Tagesgeschäft regelmässig mit diesem Lieferanten in Kontakt steht und damit wertvolle Einschätzungen in Bezug auf mögliche Risiken beisteuern konnte. Zusätzlich wurden die folgenden externen Datenquellen für die Identifikation der Risiken eingesetzt:

  • Der Logistics Performance Index der Weltbank (vgl. https://lpi.worldbank.org). Dieser bewertet die Länder in Bezug auf folgende Kategorien: Zoll, Infrastruktur, internationaler Versand, Logistikleistung, Nachvollziehbarkeit und Pünktlichkeit.
  • Auskunft durch Dun&Bradstreet (vgl. www.bisnode.ch) bezüglich der finanziellen Gesundheit des Lieferanten (Abbildung 9).
  • Die Datenbank Nathan der Munich Re, um die natürlichen Risiken wie Wetter, Erdbeben usw. abschätzen können (vgl. munichre.com/de/loesungen/fuer-industriekunden/nathan.html). Diese Datenbank ermöglicht eine Analyse der natürlichen Risiken auf spezifische geographische Adressen (Abbildung 10).

Tabelle 14: Risikoidentifikation der Instrumente AG für den Lieferanten Ashoka Inc.

Eine wichtige Quelle für die Einschätzung der Lieferanten sind finanzielle Dienstleister, wie z.B. Bisnode D&B (Abbildung 9). Sie stellen eine finanzielle und eine gesamtheitliche Risikoeinschätzung für Lieferanten zur Verfügung.

Abbildung 9: Auskunft von Dun and Bradstreet zur finanziellen Situation eines Lieferanten (Abdruck mit freundlicher Bewilligung der Bisnode D&B Schweiz AG, www.bisnode.ch)

Die Natural Hazards Edition der Munich Re stellt für die geographischen Standorte der Lieferanten eine hochkonzentrierte Zusammenstellung aller natürlichen Risiken zur Verfügung, wie zum Beispiel Erdbeben, Stürmen und Flutgefahren (Abbildung 10).

Abbildung 10: Informationen zu natürlichen Risken des Standortes eines Lieferanten (Abdruck mit freundlicher Bewilligung von Munich Re’s Risk Suite – Natural Hazards Edition https://www.munichre.com/de/loesungen/fuer-industriekunden/location-risk-intelligence/natural-hazards-edition.html

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