Einkaufsteile und Lieferanten priorisieren

Der Prozess des internationalen Beschaffungsrisiko Managements startet bei den im Ausland eingekauften Teilen und deren Lieferanten. Von deren Verfügbarkeit hängt die Fähigkeit des Unternehmens ab, Kundenbedürfnisse zu befriedigen.

 

Einkaufsartikel priorisieren

Die Bedeutung von international eingekauften Artikeln hängt von deren Einfluss auf den Unternehmenserfolg ab. Das Enterprise-Resource-Planning System (ERP) kann aufzeigen, in welchen Endprodukten die Artikel verbaut werden und damit einen Hinweis für die Bedeutung der Teile für den Umsatz des Unternehmens liefern. Einfacher ist oft die Bestimmung die Einkaufsvolumina für im Ausland eingekaufte Teile. Es kann aber vorkommen, dass ein einzelner, in kleinen Mengen eingekaufter Artikel eine grosse Bedeutung für die Funktion des Endproduktes hat. Um die im Ausland beschafften Artikel zu priorisieren, müssen deshalb meist mehrere Kriterien verwendet werden, die das Einkaufsvolumen, die Verwendung und die Herkunft der Artikel sowie die Abhängigkeit von den Lieferanten beurteilen.

Die Einkaufsteile werden in Funktion von zwei Kriterien «Ergebniseinfluss» und «Verfügbarkeitsabhängigkeit». Das Kriterium «Ergebniseinfluss» eines Einkaufsteils sagt aus, wie stark das Ergebnis eines Unternehmens betroffen ist, wenn ein Einkaufsteile nicht zur Verfügung steht und deshalb Produkte nicht produziert werden können. Ein wichtiges Instrument für die Bewertung dieses Kriteriums ist der Verwendungsnachweis im ERP. Dieser sagt aus, in welchen Endprodukten ein Einkaufsteil verbaut wird. Mit dieser Information kann abgeschätzt werden, wie hoch der Einfluss eines fehlenden Einkaufsteils ist. Eine Herausforderung kann sein, dass der Verwendungsnachweis lediglich die Sicht auf die erste Ebene der Baugruppen erlaubt. Eine weiterführende Analyse mit Hilfe von z.B. Excel Pivot Darstellungen wird dann notwendig. Eine weitere Herausforderung sind Veredelungsprozessen. Entweder erhält ein Einkaufsteil eine neue Artikelnummer oder der Prozess wird über «externe Dienstleistungen» durchgeführt. Wichtig: den internen Prozess gut verstehen und das Risikomanagement entsprechend durchführen/abgrenzen. Veredelungsprozesse haben eigene Risiken. Wichtig ist, dass z.B. ein Veredelungsprozess auch priorisiert wird und nicht aus dem Blickwinkel fällt, weil nicht als Einkaufsteil definiert!

Tabelle 1: Instrument: Priorisierungs-Checkliste

Die beiden Kriterien zur Einschätzung der Bedeutung von eingekauften Teilen für den Unternehmenserfolg – der Ergebniseinfluss sowie die Verfügbarkeitsabhängigkeit – werden in einer Matrix gegenübergestellt werden (vgl. Abbildung 5). Dies erleichtert das Erkennen der für das Unternehmen strategisch wichtigsten Einkaufsartikel.

Abbildung 5: Bestimmung der strategischen Einkaufsteile und Lieferanten

Die strategische Bedeutung der Einkaufsteile bestimmt die Bedeutung der Lieferanten des Unternehmens. Liefert ein Lieferant Einkaufsteile, die als strategisch eingeschätzt werden, wird auch der Lieferant als strategisch wichtig eingestuft. Für die 1. Prio. Lieferanten, die oben rechts in der Matrix positioniert sind, ist der Einbezug in das den Risikomanagementprozess zwingend notwendig und wird am besten in Workshops durchgeführt. Wenn ein strategisches Einkaufsteil (Verfügungsabhängigkeit «hoch») von mehreren Lieferanten geliefert wird (Dual Sourcing) gelten alle diese Lieferanten als strategische 1. Prio. Lieferanten. Die Risikoeinschätzung von Engpass- und Kernlieferanten 2. Prio. wird in das tägliche Geschäft des operativen Einkaufes integriert. Für Lieferanten von Standardteilen wird kein Risikomanagement betrieben.

Die Befragung der Mitgliedunternehmen des Schweizer Fachverbandes procure.ch hat ergeben, dass die grössten Risiken bei eingekauften Rohstoffen, elektronischen Bauteilen, Kauffeilen wie Getrieben, mechanischen Modulen, Leiterplatten, elektromechanischen Komponenten, Gussteilen und elektrischen Steuerungen entstehen (Abbildung 6). Länder, in denen für die befragten Firmen häufig Risiken bei der Beschaffung auftreten, sind die Türkei, Indien, Rumänien, China, die baltischen Staaten, Thailand und Grossbritannien (Abbildung 7).

Abbildung 6: Höhe der Risiken bei der internationalen Beschaffung von Vorleistungen

Abbildung 7: Höhe der Risiken bei der Beschaffung aus ausländischen Märkten

Unterlieferanten priorisieren

Eine grosse Herausforderung für die Analyse der Zulieferkette eines Unternehmens ist die Einschätzung der Unterlieferanten. Diese können einen grossen Einfluss auf die Liefersicherheit des direkten Lieferanten haben, wenn sie wichtige Bestandteile des eingekauften Artikels fertigen. Ein Ausfall der Lieferungen eines Unterlieferanten kann die Lieferfähigkeit des Lieferanten verunmöglichen.

Die Transparenz des Status von Unterlieferanten ist deshalb für beschaffende Unternehmen wichtig. Kleinen und mittleren Unternehmen mit geringer Einkaufsmacht fällt es aber oft schwer, entsprechende Informationen zu erhalten, weil die Lieferanten sie nicht herausgeben.

Die Unternehmen müssen sich deshalb beim Risikomanagement auf sehr wichtige Unterlieferanten konzentrieren (Abbildung 8), da die Komplexität und der Aufwand sehr schnell steigt, je mehr Unterlieferanten in das Risikomanagement einbezogen werden. Je weniger substituierbar ein Einkaufsteil ist, desto tiefer muss ein Unternehmen die Lieferkette kennen und analysieren. Diese Analysen können aber nur durchgeführt werden, wenn der Einfluss des beschaffenden Unternehmens genug gross ist, dass die Lieferanten die entsprechenden Informationen zu den Unterlieferanten offenlegen. Auch falls keine Risikomanagement bei Unterlieferanten möglich ist, muss der Lieferant auf nötige Sicherungsmassnahmen, wie z.B. Lagerbestände, gedrängt werden.

Abbildung 8: Bestimmung des Einbezuges von Unterlieferanten in das Risikomanagement

Prozess Priorisierung

Die folgende Darstellung zeigt den Ablauf des Prozessschrittes Priorisierung, die dafür verwendeten Instrumente und die Zuständigkeiten.

 

Tabelle 2: Prozessablauf Priorisierung

D             Durchführungsverantwortung (diese Stelle ist verantwortlich für Umsetzung)
M             Mitwirkung (diese Stelle ist verpflichtet mitzuwirken)
I               Information (diese Stelle muss informiert werden)
GF            Geschäftsführer
FB             Fachbereich
MA            Mitarbeitende (z.B. operative Einkäufer)
RM            Risikomanager

 

Tabelle 3: Erläuterungen zu den Prozessschritten

Priorisierung bei der Instrumente AG

Bei der Instrumente AG wurde die Verfügbarkeit der für die Priorisierung der Einkaufsteile nötigen Informationen geprüft (Tabelle 4). Aufgrund der Datenlage wurde die Priorisierung aufgrund der Informationen zu Substituierbarkeit, dem Einkaufsvolumen, der Anzahl Wareneingänge sowie der Einschätzung der Lage der Herkunftsländer vorgenommen.

In einem Workshop wurden die Warengruppen evaluiert und in «kritische» und in «nicht kritische» eingeteilt (Tabelle 5). Als nächstes Kriterium wurde die Lager der Herkunftsländer eingesetzt (Tabelle 6). Als weiteres Kriterium wurde die Anzahl der Wareneingänge eingesetzt. Die Analyse erfolgte durch Pivot-Tabellen der im ERP vorhanden Daten. Daraus resultierte die Liste der kritischen Lieferanten (Tabelle 7). Die Lieferanten mit kritischen Einkaufsteilen (tiefe Substituierbarkeit) sowie mit Standort in einem kritischen Herkunftsland wurden somit als 1. Prio Lieferanten im Sinne des Risikomanagements bezeichnet.

 

Tabelle 4: Vorgehen Priorisierung bei der Instrumente AG

Tabelle 5: Einschätzung der Verfügbarkeitsabhängigkeit der Warengruppen
(hohe Verfügbarkeitsabhängigkeit bedeutet tiefe Substituierbarkeit)

Tabelle 6: Einschätzung der Beschaffungsländer (ab Rang 20 als kritisch eingestuft)

Tabelle 7: Resultate Pivot Analyse: Lieferanten mit hoher Verfügbarkeitsabhängigkeit aus  kritischen Ländern (Auszug, Lieferanten anonymisiert)

iberima